App-Marketing: Die Vor- und Nachteile von White Label-Lösungen für Entwickler, Unternehmen und Endkunden

Jeder Smartphone-Nutzer besitzt im Durchschnitt 41 Apps und nutzt diese etwa 127 Minuten am Tag. 150 Mal wird durchschnittlich auf das Smartphone geschaut – täglich. Damit entwickelt sich das Smartphone zu einem der persönlichsten Gegenstände, die der Mensch in der heutigen, modernen Zeit besitzt.

Da verwundert es nicht, dass die ersten Unternehmen beginnen, das Potential einer App als Marketingtool zu verstehen und umzusetzen: Der Nutzer kann auf eine direkte und persönliche Art erreicht werden, wie es sonst kaum ein anderes Werbemittel schafft. Zudem sind Reaktionen und Resonanz der Zielgruppe weitestgehend messbar.

Jedoch ist die App als Werbemittel noch Neuland für die meisten Unternehmen. Viele geben daher Apps in Auftrag, die bei freien Entwicklern oft mit hohen Kosten verbunden sind. Hier kommen die sog. White Label-Lösungen ins Spiel: Apps nach Baukastenprinzip, die auf jede beliebige Branche zugeschnitten werden können, sind noch recht neu und daher kaum untersucht. Es ergeben sich daher folgende Fragen: Welche Vor- und Nachteile bringen White Label-Lösungen gegenüber den Apps freier Entwickler mit sich? Welche Zukunftschancen hat der Markt für White Label-Apps und welche Risiken bestehen? Welche Verbesserungsmöglichkeiten gibt es?

 

White Label-Lösungen im App-Marketing

 

Der Begriff White Label stammt aus dem Englischen (engl. „weißes Etikett“) und beschreibt grundsätzlich „ein Produkt, das unter verschiedenen Namen beziehungsweise Marken angeboten wird, jedoch zumeist nicht von dem Unternehmen, welches es ursprünglich hergestellt hat.“

Im Bereich des App-Marketings gibt es mittlerweile Entwickler, die sich auf die Herstellung solcher White Label-Lösungen spezialisiert haben. Dabei werden Basis-Apps entwickelt, deren Aufbau und Funktionalität immer dem gleichen System zugrunde liegen. Diese Basis-App wird Unternehmen verschiedener Branchen zum Kauf oder zur Miete angeboten, dafür werden Inhalt und Aussehen der App individuell an das jeweilige Unternehmen angepasst. Die fertige App wird dann vom Unternehmen vermarket und auf den entsprechenden Verkaufsplattformen dem Kunden zur Verfügung gestellt. Für den Kunden ist aber nicht zwangsläufig erkennbar, dass es sich bei der App um ein White Label-Produkt eines Entwicklers handelt; er nimmt die App – wenn nicht anderweitig gekennzeichnet – als Produkt des Käuferunternehmens wahr.

 

Praxisbeispiel: Analyse der White Label-Apps

Um nun die vorab gestellten Fragen zu klären, wurde ein seit 2013 bestehendes White Label-System untersucht, das App-Lösungen für die Gastronomie- und Nightlife-Branche bietet. Bis dato wurden etwa 70 Apps mit diesem Baukasten-Prinzip erstellt; dem Unternehmer wird das System bestehend  aus App und CMS (Content Management System) in einer Miet- oder Kaufoption zur Verfügung gestellt. Die vielfältigen Funktionen der App richten sich nach typischen Bedürfnissen der Gastronomie- und Nightlife-Branche und besitzen sowohl informativen als auch unterhaltenden Charakter. Das CMS umfasst Optionen zum Bearbeiten des App-Inhalts und -Designs sowie Interaktionsanwendungen und Statistiken zu den App-Nutzern.

Anhand der Statistiken dreier ausgewählter, mit dem White Label-System erstellten Apps wurde eine App-Analyse hinsichtlich der Download- und Nutzerzahlen unter Berücksichtigung der jeweiligen App-Funktionen erstellt. Diese nach wissenschaftlichen Kriterien erstellte und durchgeführte Analyse erbrachte folgende Erkenntnisse:

Obwohl alle Apps unterschiedlichen Branchen (eine Restaurant-, eine Event- und eine Club-App) entstammen und sich die numerischen Werte der Download- und Nutzerzahlen stark voneinander unterscheiden, hat dies anscheinend kaum Einfluss auf die Beteiligung der Nutzer. Die konstant hohen Werte lassen darauf schließen, dass das White Label-Prinzip der Apps leistungsfähig und qualitativ hochwertige Ergebnisse liefert. Trotzdem könnte das System weiter verbessert werden: Eine detaillierte Auswertung der Nutzerzahlen ergab Unterschiede hinsichtlich der benutzten Betriebssysteme. Ziel sollte es für die Entwickler der White Label-Lösung demnach sein, ihre Basis-Apps noch genauer auf die unterschiedlichen Betriebssysteme abzustimmen und die Marketingmaßnahmen für deren jeweilige Zielgruppen zu verfeinern.

Experteninterview: Entwickler, Unternehmer, Endkunde

Um die bisherigen Erkenntnisse zu erweitern, wurde ein Experteninterview mit einem Entwickler, einem Unternehmer (hier der Bezieher der White-Label-Lösung) und einem Endkunden durchgeführt. Ihnen wurden Fragen zu den Vor- und Nachteilen von White Label-Lösungen gegenüber  Individuallösungen freier Entwickler gestellt. Außerdem wurden bestehende Risiken und Schwächen des Systems sowie eventuelle Verbesserungsmöglichkeiten diskutiert. Abschließend gaben die Experten eine Zukunftsprognose für den Markt der App-Lösungen ab. Alle Teilnehmer haben bereits Erfahrung sowohl mit White Label-Lösungen als auch mit Apps freier Entwickler gemacht. Daher ist es ihnen möglich, beide App-Varianten aus der Perspektive ihrer jeweiligen Position zu beleuchten.

 

Zusammengefasst lassen sich – auch unter Berücksichtigung der App-Analyse – die Ergebnisse wie folgt darstellen:

1. Bei White Label-Lösungen nach Baukastenprinzip liegt der Hauptvorteil für den Unternehmer in der Kostenersparnis von ca. 95% gegenüber individuellen Entwicklerlösungen. Auch Erfahrungswerte durch andere Unternehmer und der hochintegrative Aufbau des Systems sind sowohl aus Entwickler- als auch aus Unternehmersicht starke Argumente für White Label-Lösungen. Jedoch trifft dies nur dann zu, wenn der Unternehmer in Kauf nimmt, dass diese Art der App-Lösung niemals zu 100 Prozent auf seine individuellen Bedürfnisse zugeschnitten werden kann. In diesem Fall sollte auf die Individuallösung eines freien Entwicklers zurückgegriffen werden, der möglicherweise höhere Kosten bei der Entwicklung veranschlagt, jedoch jedes gewünschte Feature in die App implementieren kann.

2. Da der Endkunde nicht in erster Linie Nutzer des White Label-Systems, sondern lediglich User der damit erstellten Apps ist, gibt es darauf basierend nur wenige mögliche Kritikpunkte. Es scheint daher für den App-Nutzer keine größere Rolle zu spielen, ob die App einem Baukastensystem oder einer Individuallösung entspricht. Eine Baukasten-App könnte dann als nachteilig empfunden werden, wenn der Endkunde bereits ähnliche Apps konkurrierender Firmen besitzt und so den Eindruck fehlender Innovationskraft des Unternehmens gewinnt.

3. Verbesserungsmöglichkeiten von White Label-Systemen können zurzeit nur durch weiter steigende Individualisierung der Funktionen umgesetzt werden. Auch Implementierungen zur Optimierung des App-Designs würden für Entwickler, Unternehmer und Endkunde gleichermaßen zur Verbesserung beitragen. Jedoch werden nie alle denkbaren Anforderungen generalisiert umsetzbar sein, da in diesem Fall eine Baukastenlösung nicht mehr rentabel für den Anbieter wäre. Dies kann durch Spezialisierung z.B. auf eine Berufsgruppe oder –branche umgangen werden.

Fazit: White Label-Lösungen als Marktführer der Zukunft?

Die Entwicklung in der Zukunft kann nur schwer vorhergesagt werden, doch mit dem anhaltenden Trend zur Unternehmens-App ist auch ein weiteres Wachstum des White Label-Marktes zu erwarten. Die Auswertung der Befragung zeigt, dass eine Koexistenz zwischen Individual- und White App-Lösungen möglich scheint, insofern beide eine eigene Marktnische besetzen.

Cora Vartmann

Veröffentlicht unter Allgemein