Mobile Commerce im Einzelhandel – Die Bekleidungsbranche im Umbruch

Unter dem Begriff „Mobile Commerce“ ist der Kauf von Waren und Dienstleistungen über ein mobiles internetfähiges Endgerät zu verstehen und gewinnt immer mehr an Bedeutung. Durch ihre mobile Einsatzmöglichkeit eröffnen Smartphones und Tablet-Computer neue Verkaufschancen in Verbindung mit innovativen Services und Technologien. Dabei nimmt der Anteil von Mobile Commerce am Umsatz des gesamten E-Commerce immer weiter zu.

Die allgegenwärtige Nutzung von mobilen Endgeräten sowie die stetige Verbesserung der Telekommunikationsinfrastruktur trotz sinkender Preise tragen zur dynamischen Entwicklung von Mobile Commerce bei. Die Entwicklung des Smartphones mit seiner Ausstattung und den innovativen Technologien senkt die Zugangsbarrieren zu Mobile Commerce immer weiter. Der Markt von mobilen Endgeräten wird immer umfangreicher. In 2012 besaßen erstmals mit 16 Millionen Geräten mehr Menschen ein Smartphone als herkömmliche Mobiltelefone. Der Absatz von Tablet-Computern steigt ebenfalls fortwährend an. Wurden 2012 noch fünf Millionen Euro am deutschen Markt umgesetzt, stieg der Umsatz an verkauften Tablet-Computern in 2013 auf acht Millionen Euro an.

Neben der Entwicklung von Mobile Commerce entwickelt sich der Einzelhandel ebenfalls kontinuierlich weiter. Neue Erwartungen und Bedürfnisse der Kunden sollen dahingehend auch von traditionellen Einzelhändlern erfüllt werden. Attraktive Innovationen und Services sollen die Kunden auf Dauer in die stationären Läden locken.
Mobile Commerce und die Verknüpfung zum Einzelhandel werden immer wichtiger. Rasante Entwicklungen in der Technologie und unzählige Angebote an Diensten lassen einen sehr dynamischen Markt entstehen.

In den letzten Jahren hat der Einsatz von digitalen Technologien in stationären Geschäften immer weiter zugenommen. Das liegt zum einen an der mittlerweile starken Nutzung von mobilen Endgeräten während des Einkaufens, um zum Beispiel Preise zu vergleichen oder Zusatzinformationen von Produkten zu suchen und andererseits verlangen Kunden nach Abwechslung und Mehrwerten in den Filialen.

Durch verschiedene Mobile-Marketing-Instrumente wie Location Based Services, Mobile Tagging oder Augmented Reality kann es gelingen, Konsumenten einen Mehrwert gegenüber Online-Bekleidungsshops zu bieten und ihr Einkaufserlebnis zu bereichern.
Eine Möglichkeit, den Konsumenten gezielt in ein Geschäft zu lotsen, ist die In-Store Navigation. Hierbei handelt es sich um digitale Gebäudekarten, die mit Wegbeschreibungen und Ortungsfunktionen verknüpft werden. In-Store Navigation kann entweder in Einkaufszentren angewendet werden, wo die Suche eines bestimmten Geschäftes im Vordergrund steht, oder für einzelne Geschäfte. Bei Letzterem liegt der Fokus auf der Suche nach speziellen Produkten. Vorreiter dieses Dienstes ist Google Indoor Maps. Seit Dezember 2012 hat der Nutzer hier die Möglichkeit sich ausgewählte Geschäfte oder Einkaufszentren wie das KaDeWe in Berlin digital anzeigen zu lassen und so zu verschiedenen Geschäften geleitet zu werden. In Verbindung mit Funktionen wie der Zustellung geeigneter Coupons und anderer Angebote während des Besuchs eines bestimmten Ladenlokals könnte man die Anwendungsmöglichkeiten ausweiten und den Nutzer noch gezielter und effektiver in die Geschäfte locken. Für die Nutzung diese Dienstes muss jederzeit eine Internetverbindung gewährleistet sein, die durch das Errichten einen WLAN-Hotspots gegeben wäre.

Um den Kunden jederzeit bedarfsgerecht beraten zu können ist es notwendig, dass Verkäufer über Zusatzinformationen sowie Rezensionen über die zu verkaufenden Produkte verfügen. Neben der Ausstattung von Tablets an die Verkäufer, gibt es die Möglichkeit digitale Screens an verschiedenen Orten im Geschäft aufzustellen. Die Kunden haben neben ihrem Smartphone damit die Möglichkeit auf einem viel größeren Display nach Produkten und Preisen zu recherchieren. Händler können so die umsatzstärksten Produkte auf Lager halten und andere Produkte auf dem digitalen Screen präsentieren und vom Kunden bestellen lassen. Die Lagerhaltung wird somit vermindert und Kosten können eingespart werden. Digitale Screens können in Zukunft einen erheblichen Mehrwert bringen, indem sie die Beziehung zwischen Käufer und Verkäufer festigen. Konsumenten haben die Möglichkeit einfach und bequem innerhalb eines Geschäftes nach Informationen zu recherchieren und können ggf. bei Unverständlichkeiten einen Berater hinzuziehen. Diese Möglichkeit bietet ihnen ein Online-Shop nicht an und dies ist somit ein Wettbewerbsvorteil.

Auch das Bezahlen soll zukünftig einfach und flexibel gestaltet werden. Kassenzeiten sollen verkürzt und der gesamte Bezahlprozess für den Kunden angenehm gestaltet werden. Bei der Bezahlung per „Near Field Communication“ ermöglicht ein RFID-Chip (Radio Frequency Identification-Chip) die kontaktlose Datenübertragung zwischen zwei Geräten über kurze Distanzen von bis zu 10 cm. Der Bezahlvorgang an sich ist denkbar einfach, nach erfolgreicher Installation der App und Registrierung wird beim Einkauf das Zahlungsgerät an das Terminal gehalten, der Verkäufer löst die Zahlung durch Eingabe und Bestätigung des Betrages aus und nachdem das Geld abgebucht ist, ertönt ein kurzes Signal. Bisher ist das Zahlungsverfahren mit NFC in Deutschland noch nicht weit verbreitet, erst einige Geschäfte wie Douglas oder Aral bieten das Bezahlverfahren an. Zudem sind noch nicht viele Zahlungsgeräte mit einem RFID-Chip versehen.

Durch Mobile Wallets, also der Digitalisierung des eigenen Portemonnaies werden Zahlungsfunktionen mit Value Added Services, wie die Ablage von Kundenkarten verknüpft und bilden damit eine weitere Möglichkeit von Mobile Payment.
Mobile PoS Systeme sind vor allem für kleinere Händler eine gute Lösung am Mobile Payment teilzunehmen. Hierbei wird ein Adapter auf das Smartphone oder Tablet gesteckt und über eine App wird der gesamte Zahlungsvorgang abgewickelt, inklusive der Rechnungserstellung. Neben den Transaktionskosten fallen dann keine weiteren Kosten mehr an. Weitere mobile Bezahlmöglichkeiten wie PayPal sollen an dieser Stelle ebenfalls genannt werden.
Die Herausforderung ist es, Mobile Payment so komfortabel und einfach wie möglich zu gestalten, damit die Konsumenten die neuen Bezahlverfahren annehmen.

Eine weitere digitale Technologie in der Filiale ist Mobile Self-Checkout. Beim Mobile Self-Checkout werden Produkte mit dem Smartphone im Geschäft mittels Bar- oder QR-Code gescannt und können anschließend direkt gekauft und mitgenommen werden. Das Bezahlen an einer stationären Kasse mit Verkaufspersonal entfällt somit. Die Bezahlung erfolgt anschließend per Kreditkarte oder weiteren gängigen E-Commerce Zahlungsmitteln. Mobile Self-Checkout stellt auch für die Bekleidungsbranche eine Alternative zu herkömmlichen Kassen dar. Das Anstellen an langen Warteschlangen vor den Kassen, vor allem in großen Bekleidungshäusern, stellt Kunden oftmals vor eine Geduldsprobe. Dies gilt besonders wenn es der Kunde eilig hat oder selbst nur wenige Teile bezahlen muss. Verkäuferinnen hätten so die Möglichkeit, sich mehr auf die individuelle Beratung des Kunden zu konzentrieren und könnten ihm so einen Mehrwert bieten.

Die Kundenansprache außerhalb stationärer Geschäfte über mobile Endgeräte gewinnt ebenfalls immer mehr an Bedeutung. Für Einzelhändler wird es deshalb immer wichtiger, die Out-of-Home-Angebote mit den übrigen Verkaufskanälen zu vernetzen und in diesem Sinne eine Multi-Channel-Strategie zu verfolgen. Daher ist es von großer Wichtigkeit, Konsumenten durch verschiedene mobile Dienste auch von außerhalb in die Geschäfte zu lotsen, um ihr Einkaufserlebnis zu bereichern.

Beim Geofencing zum Beispiel werden Areale digital abgesteckt. Wenn Kunden sich diesem Gebiet nähern, werden Angebote, Produktinformationen oder Werbebotschaften auf das mobile Endgerät geschickt. Sobald der Kunde das Areal verlässt, endet dieser Dienst. Die Modehauskette GAP nutzte diesen Dienst bereits, indem sie Geofences rund um ihre Plakate installierten. Befand sich ein Passant innerhalb des Geofences wurden ihm automatisch Gutscheine auf das Smartphone geschickt. Mit Geofencing hat der Händler die Kontrolle über seine Besucherzahlen und kann diese steuern. Durch Rabattaktionen können so zeitabhängig mehr Besucher in das Bekleidungsgeschäft gelockt werden.

Beim QR-Code-Shopping werden QR-Codes meist in direkter Verbindung mit den Produkten zum Beispiel auf Plakaten, Schaufenstern oder Magazinen präsentiert. Interessiert sich der Kunde nun für ein Produkt hat er die Möglichkeit mit seinem Smartphone den QR-Code mittels einer App zu scannen und so die Einkäufe zu einem Wunschtermin direkt zu sich nach Hause schicken zu lassen. Die Bezahlung erfolgt dabei ebenfalls über des Smartphone. Stationäre Einzelhändler können aufgrund der unabhängigen Ladenöffnungszeiten durch QR-Code-Shopping Präsenz zeigen und sich gegenüber von erfolgreichen Online-Händlern behaupten. Ebenso spricht für Shopping-Angebote außerhalb der Fililale der starke Anreiz für Impulskäufe. Da Impulskäufe dort stattfinden, wo man am wenigsten mit ihnen rechnet, finden diese außerhalb von Einkaufszentren statt.

Augmented Reality ist eine Kombination aus wahrgenommener und vom Computer erzeugter Realität und kann ebenfalls dabei helfen Kunden außerhalb stationärer Bekleidungsgeschäfte anzusprechen. Mit Hilfe von Apps wie „junaio“ können mittels Objekterkennung Logos von Verkaufsfilialen erkannt werden. Durch die Nutzung von GPS-Koordinaten erkennt die App daraufhin um welche Filiale es sich handelt und kann dem Nutzer anzeigen, welche Sonderangebote derzeit in dieser Filiale angeboten werden.

Durch die visuelle Ähnlichkeitssuche und der App „picalook“ hat der Nutzer die Möglichkeit auf der Straße auf eine visuelle Suche zu gehen. Entdeckt er ein Kleidungsstück, welches ihm gefällt, kann er mit zur Hilfenahme seines Smartphones und der App das Kleidungsstück scannen und erhält in kürzester Zeit Abbildungen von gleichen oder ähnlichen Kleidungsstücken, die er sofort kaufen kann.

Die genannten Möglichkeiten machen deutlich, dass es für den Einzelhandel wichtig ist, neben der Ansprache in der Filiale Konsumenten auch außerhalb, durch den Gebrauch von Mobile Marketing Instrumenten, anzusprechen. Damit werden die Konsumenten entweder erfolgreich in das eigene Geschäft vor Ort gelockt oder machen Gebrauch von weiteren Verkaufskanälen dieses Unternehmens, sofern sie angeboten werden. Die Gefahr, dass potentielle Kunden sich daraufhin einem anderen Bekleidungsunternehmen zuwenden, wird somit verringert.

Mit Mobile Commerce wird ein Verkaufskanal geschaffen, dem es bei guter Umsetzung gelingt, Konsumenten zu überzeugen und zu begeistern und sie so zum Teil zurück in den Bekleidungshandel zu lotsen. Richtig genutzt kann er einen enormen Einfluss auf die Arbeit der Einzelhändler der Bekleidungsbranche haben und Erfolgschancen liefern. Vor allem die Kommunikation zwischen den Kunden und den Verkäufern kann so langfristig aufgebaut werden und eine wichtige Vertrauensbasis schaffen. In Zukunft werden sich wohl Multi-Channel-Strategien auf Dauer durchsetzen, da hier noch weitere Verkaufskanäle hinzukommen und somit die meisten Kunden angesprochen werden. Der enorme Facettenreichtum und die innovativen Möglichkeiten, an denen ständig gearbeitet wird, machen die Bewertung von mobilen Diensten jedoch insgesamt sehr schwierig. Zudem müssen Risiken wie mangelnde Kundenakzeptanz und zunehmende Wettbewerbsintensität ernstgenommen und in die eigene Planung mit einbezogen werden. Die Bekleidungsbranche in den Städten ist jedoch jetzt in einer Situation handeln zu müssen, damit sie nicht vom Online-Bekleidungs-Handel verdrängt wird. Eine Garantie-Strategie gibt es dafür jedoch nicht. Viel Neues muss getestet werden, um sich einen Wettbewerbsvorteil zu verschaffen. Oberste Priorität sollte dabei immer der Kundennutzen haben. Ob Mobile Commerce allein den Einzelhandel in Zukunft retten kann, gilt jedoch als eher unwahrscheinlich. Vielmehr sollten stationäre Bekleidungshändler Mobile Commerce als Chance sehen, an der eigenen Strategie etwas zu ändern und so langfristig für ihren Erfolg zu sorgen. Fest steht jedoch ebenfalls, dass auch ohne den Einsatz von Mobile Commerce, die stationären Bekleidungshändler nie ganz von der Bildfläche verschwinden werden.

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