Das moderne Web hat bei den Ereignissen in der arabischen Welt eine wichtige Rolle gespielt. Aber waren sie in Ägypten und Tunesien entscheidend für die Revolutionen oder nur ein anfängliches Mobilisierungsinstrument? Wer sind die jungen Politblogger und was wollen sie erreichen?
Diese und weitere Fragen zu den Ereignissen im Nahem Osten versuchte Dr. Asiem El Difraoui im größten Computermuseum der Welt, dem Heinz Nixdorf MuseumsForum in Paderborn, zu beantworten und eine erste Bilanz zu ziehen. El Difraoui, zu dessen Forschungschwerpunkten unter anderem Medien und die Jugendkultur in der arabischen Welt zählen, begann seinen Vortrag mit einem Lächeln auf den Lippen, nachdem er als herausragender Experte vorgestellt worden war. Er betonte, es gäbe keine Experten zu einem so aktuellen und komplexen Thema, da es um „history-making“ gehe – „Geschichte, die momentan gemacht wird.“
Das Internet sei, ihm zufolge, erst vergleichsweise spät in Nahost angekommen, habe allerdings schnell Freiräume für Kommunikation und Soziales geschaffen. Politisch gesehen habe das Internet aber lange Zeit keine Rolle gespielt. Während in Tunesien die Revolution sehr spontan entstand und das Web 2.0 nicht als Katalysator gesehen werden kann, ist in Ägypten die Rolle wesentlich größer.
Was für viele von uns überraschend ist: nur etwa 20 Prozent der Ägypter haben einen Computer mit Internetanschluss ( im Vergleich zu Deutschland, wo etwa 75 Prozent der Bevölkerung Zugang haben). Die Revolution wurde gestartet von der gebildeten Jugend Ägyptens und sie fand nicht an Schreibtischen hinter Computern statt. El Difraoui erklärt den Anwesenden, dass etwa 70 Prozent der Ägypter ein Handy haben, viele sogar Smartphones. Wie sie sich die leisten können? Es werden Prioritäten gesetzt, ein Handy gilt als Statussymbol und dient als Anschluss an die Außenwelt. Als dieser durch die Regierung gekappt worden war, begannen die Unruhen. El Difraoui sagt spaßig: „Du kannst vieles machen, aber den Jungen das Handy wegnehmen, das macht Ärger“. Was dann passiert ist, haben wir alle in den deutschen Medien mitbekommen.
Am Beispiel der Facebook-Page „We are all Khaled Said” verdeutlicht Dr. Asiem El Difraoui, wie das moderne Web genutzt wurde. (Die Seite ist nach einem ägyptischen Blogger benannt ist, dessen Bild nach seinem gewaltsamen Tod durch Polizisten mit Hilfe des Internets um die Welt ging.) Auf „We are all Khaled Said” haben sich zu Beginn 60 bis 80 junge Ägypter zu Demonstrationen verabredet. Daraufhin bekam, nach Angaben von El Difraoui, die Page einen enormen Zulauf und diente fortan der Information der Massen. Beispielsweise erklärte sie, wie man sich einen Demonstrations-Rucksack packt oder sich Schutzwesten bastelt.
Generell sei, laut Dr. Asiem El Difraoui, die ägyptische Seite dynamischer als die, die auf englisch für alle lesbar ist. Daher bleibt weiter zu forschen, welche Rolle das moderne Web wirklich bei den Ereignissen im Nahen Osten gespielt hat. Bisher kann allerdings grob gesagt werden: das moderne Web ist nicht der Auslöser, wohl aber dient es der Mobilisierung, Kommunikation und Information.